Gibt es 330.000 Unternehmen in Österreich oder 546.000?

Diese Frage stellt sich dem Besucher zweier offizieller Websites, der Homepage der Statistik Austria sowie des Firmenverzeichnisses der Wirtschaftskammer Österreich. Angesichts des beachtlichen Unterschieds von mehr als 200.000 Einheiten kann man Rundungsdifferenzen wohl ausschließen. Es müssen unterschiedliche Konzepte dahinter stehen. Dem wollen wir auf den Grund gehen und analysieren, wer in welcher Statistik dabei ist, wer nicht und welche Auswirkungen das auf die Gesamtzahl hat:

Leistungs- und Strukturstatistik der Statistik Austria (LSE)

Beinhaltet

  • Alle „Marktproduzenten“, also Unternehmen, Arbeitsgemeinschaften und gewerbliche Betriebe von Körperschaften öffentlichen Rechts, wenn im Regelfall zumindest 50 % der Produktionskosten durch Umsätze gedeckt sind
  • Darunter sind auch Architekten, Ziviltechniker oder Steuerberater, die keine Wirtschaftskammer-Mitglieder sind und nicht in der Wirtschaftskammer-Statistik aufscheinen.

Beinhaltet NICHT

  • Sehr kleine Unternehmen, deren Umsatz pro Jahr unter 10.000 Euro beträgt UND die keine Arbeitnehmer haben
  • Land- und Forstwirtschaft, Öffentliche Verwaltung, Private Haushalte
  • Aber auch nicht Unterricht und Erziehung, Sozial- und Gesundheitswesen, Kunst, Kultur und Erholung sowie weite Teile der sogenannten „Sonstigen Dienstleistungen“ (Friseure, Kosmetiker, Fußpflege, …). Schätzungen gehen davon aus, dass sich in diesem Bereich 60.000 Unternehmen befinden, die nicht Teil der LSE sind.

Mitgliederstatistik der Wirtschaftskammer(n)

Beinhaltet

  • Alle Mitglieder der neun Landes-Wirtschaftskammern, dazu zählen alle Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft laut Gesetz
  • Dieser föderale Aufbau dürfte für eine erhöhende Tendenz bei der Unternehmens-Zahl sorgen. Ein Unternehmen mit Niederlassungen in verschiedenen Bundesländern ist Mitglied in mehreren Landes-Wirtschaftskammern und dürfte mehrfach gezählt werden. Darauf deuten Recherchen bei der Wirtschaftskammer hin und auch mehrere Publikationen wie diese (Seite 5).

Beinhaltet NICHT

  • Unternehmen und Institutionen, die von Gesetzes wegen nicht der Wirtschaftskammer angehören, wie Architekten, Steuerberater, Rechtsanwälte, niedergelassene Ärzte und Apotheker. Ebenso wenig: die öffentliche Verwaltung.
  • Ruhende Mitgliedschaften, zumindest werden diese in den Statistiken der Wirtschaftskammer gesondert ausgewiesen. Die oben genannte Zahl von rund 546.000 beinhaltet also keine „Kartei-Leichen“.

Was lernen wir daraus?

Einfache Fragen können komplizierte Antworten haben. Die Abweichung der beiden Statistiken ist vor allem einerseits durch das Fehlen größerer Dienstleistungsbranchen in der LSE und das dortige Größenkriterium zu erklären (Zählung erst ab 10.000 Euro Jahresumsatz), andererseits durch Mehrfachmitgliedschaften in der Kammerstatistik. Die Abschätzung des relevanten Marktes hängt letztlich von der konkreten Fragestellung ab:

  • Die Wirtschaftskammer-Statistik dürfte aus der Perspektive einer „Kopfzählung“ das komplettere Bild liefern, wobei es eine erhöhende Tendenz durch die Mehrfachmitgliedschaften gibt.
  • Wenn es aber darum geht, den Markt von Unternehmen mit einer gewissen Mindest-Substanz zu erfassen, dann kommt das Größenkriterium der LSE ins Spiel. Unternehmen mit einem Umsatz von unter 10.000 Euro pro Jahr, die von der LSE ausgeschlossen sind, werden im Regelfall Nebenbeschäftigungen von Einzelpersonen sein. Ob man diese als „Unternehmen“ sehen will oder nicht, hängt vom jeweiligen Erkenntnis-Ziel ab.

Noch Fragen?

Dann stehen wir Ihnen mit unserer Expertise gerne zur Verfügung: office@triple-m-mafo.at

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Technische Anmerkungen: Der Datenstand der Leistungs- und Strukturerhebung der Statistik Austria ist Dezember 2016. Für 2017 liegen vorläufige Daten vor. Die Wirtschaftskammer-Mitgliederzahlen liegen per 31.12.2018 vor. Genaue Daten dazu finden sich hier. In dieser Statistik ist die Zahl der aktiven Unternehmen mit 527.951 auch etwas geringer als im genannten Firmenverzeichnis.